Sambia-Reise 2013
23. August bis 04. September 2013
Unsere Reisegruppe besteht aus mir (Anita Bartsch), meinem Neffen Christian und seiner Frau Ilka. Ab Luanshya wird uns zudem mein Patensohn Charles begleiten. Der fünfte Mann in der Truppe ist unser Fahrer und guter Freund Elias. Ohne ihn wäre die Reise viel beschwerlicher geworden.
Die Reise führt uns von Lusaka aus über Ibenga, Luanshya, Kitwe und Solwezi bis in den äußersten Westen Sambias nach St. Kalemba und wieder zurück.
Ziele der Reise
- Alle Patenkinder zu Hause zu besuchen, das familiäre Umfeld kennenzulernen und das Geld für die Schulausbildung persönlich zu übergeben.
- Die Fortschritte des in 2011 gestarteten Projekts „Nähschule in St. Kalemba“ zu begutachten.
- Den Stand des Baus der Primary School in St. Kalemba zu überprüfen.
Für die Nähschule und die Primary School erhielten wir ebenfalls Spendengelder, die wir vor Ort übergeben möchten. Wir sind gespannt, was uns alles auf unserer Reise erwartet!
23. August 2013: Frankfurt – Dubai – Lusaka
Abflug von Frankfurt, Zwischenlandung in Dubai und Weiterflug nach Lusaka.
24. August 2013: Lusaka
Ankunft am Lusaka International Airport um ca. 14:25 Uhr Ortszeit. Vor der Zollabfertigung müssen wir eine Einreisegenehmigung ausfüllen. Es folgen der Fingerabdruck-Check und die Visa-Prüfung. Schließlich können wir die Passkontrolle passieren.
Die erste Übernachtung erfolgt im Gästehaus der Gossner-Mission in Lusaka. Vor dem Flughafengebäude wartet bereits Lucky, der Fahrer des Shuttle-Taxis der Mission, auf uns. (Den Transfer hatten wir bereits von Deutschland aus bestellt.) Lucky fährt uns quer durch die Stadt zum Gossner-Gästehaus (43A Kabulonga Road, Lusaka; gossner@zamnet.zm), das von einem freundlichen deutschen Ehepaar betreut wird.
Tipps: Die Gästehäuser haben eine Küche mit Geschirr und Wasserkocher zur Selbstversorgung. Lebensmittel und Getränke sollten bereits bei einem Zwischenstopp während der Anreise eingekauft werden.
Am besten auch eine SIM-Karte mit Airtime kaufen, die es an jeder Straßenecke gibt, um günstig telefonieren zu können.
25. August 2013: Lusaka und Ibenga
Abreise von Lusaka mit Mietwagen – am besten geländegängig und mit genug Stauraum für das Reisegepäck. Den Wagen hatten wir ebenfalls schon von Deutschland aus bestellt. Neben den Mietkosten für den Wagen sind auch noch die Kosten für die Übernachtung und das Essen des Fahrers sowie dessen Entlohnung separat zu bezahlen. Die Mietwagen und das Benzin in Sambia sind verhältnismäßig teuer. Der Fahrer unseres Pickups ist Elias, ein Freund aus Sambia.
Tipp: Es ist wichtig, dass eine Person die lange Reise quer durch Westsambia begleitet, die die Landessprache spricht und die Verhältnisse vor Ort gut kennt.
Zunächst besuchen wir die Franziskanerinnen in Lusaka, die von der ersten Reise durch Sambia in 2011 noch sehr gut in Erinnerung sind. Wir werden in der Embassy of Vatican herzlich begrüßt und bewirtet. Nach dem Segen und den guten Wünschen für unsere Reise verlassen wir Lusaka.
Wir reisen Richtung Westen durch eine frühlingshafte Landschaft mit frischem Grün an den Bäumen und leuchtenden Farben an Büschen und Zweigen. Die Straße zwischen Lusaka und Luanshya ist verhältnismäßig gut ausgebaut und wir kommen zügig voran.
Unser Tagesziel heute ist Ibenga im Masaiti District. Die Übernachtung erfolgt in der Lodge Masaiti Sunbeam Motel (Mpongwe-Luanshya Road). Die Lodge besteht aus einem Haupthaus mit Restaurant, übernachtet wird in separaten Häusern oder Chalets.
Man hat die Wahl zwischen einem großen oder kleinen Frühstück. Im Restaurant gibt es gutes Essen und Getränken – auch für europäische Mägen bestens geeignet.
Wir erleben den ersten afrikanischen Sonnenuntergang in der Natur. Die Nähe zum Äquators ist bemerkbar: gegen 17:00 Uhr beginnt die Dämmerung und um 18:00 Uhr ist es bereits stockdunkel. Wir schlafen ein und träumen von unserem bevorstehenden Abenteuer im Nirgendwo.
26. August 2013: Ibenga (Blind-Center und Kaoma-Farm)
Hähne und Hühner wecken uns schon vor dem Morgengrauen um 6:00 Uhr. Es ist noch kühl draußen und wir vertragen unsere warmen Jacken.
Nach dem Frühstück besuchen wir unsere Patenkinder im Blind-Center von Ibenga, um uns ein Bild über die Lebensumstände dort zu machen. Hier leben vier unserer Patenkinder. Was wir vorfinden trifft uns bis ins Mark: in diesem Gebiet leben ca. 40 Familien mit blinden Erwachsenen. Sie leben in befestigten Hütten, die zweigeteilt sind: Der kleinere Raum der Hütte dient zum Schlafen und der größere Raum zum Wohnen. Zwei unserer Aids-Waisenkinder (Faith und Nelly) leben alleine mit ihrer blinden Großmutter in einer Hütte. Die einzige Habe sind ein mit Gras gefüllter Reis-Sack, der im Schlafraum auf dem blanken Boden liegt, sowie ein verbeulter Eimer und ein Kochtopf, die in der Ecke des Wohnraumes stehen.
Zwei weitere Patenkinder (Elizabeth und Trusty) leben im Haus der Köchin Jessy, da sie keine Familie mehr haben, die für sie sorgen kann. Im Blind-Center leben noch zwei weitere Kinder unter denselben Umständen, für die wir noch Pateneltern suchen.
Jessy kocht im Auftrag des Bischofs jeden Morgen einen Maisbrei für alle Kinder, damit diese vor der Schule wenigstens das Nötigste im Magen haben.
Wir verteilen die mitgebrachten Geschenke unserer Paten an ihre Patenkinder. Die Kinder können zunächst gar nicht zuordnen, was gerade passiert und sind schließlich unendlich dankbar. (Geschenke sind in dieser Gegend der Welt nicht an der Tagesordnung.)
Unser Besuch im Blind-Center hat sich bald herumgesprochen: Plötzlich kommen aus allen Richtungen Kinder und Frauen gelaufen, um uns zu begrüßen. Wir verschenken mitgebrachte Stifte, Schulhefte, Luftballons und Kekse und wissen: wir kommen wieder mit Decken und Lebensmitteln für die Ärmsten der Armen.
Wir verlassen Ibenga und fahren umgehend in die nächstgelegene Stadt Luanshya. Im Supermarkt kaufen wir kleine Geschenke für alle Kinder, denen wir auf unserer Reise noch begegnen werden.
Bepackt mit Schulheften, Bleistiften, FlipFlops, Luftballons und Keksen fahren wir quer durch das Gelände zur Kaoma-Farm, die sich in der Nähe des Blind-Centers befindet. Hier leben weitere fünf Patenkinder (Queen, Abilgal, Joyce, Given und Evaristo). Wir verteilen zunächst die kleinen Mitbringsel an alle Kinder. Die mitgebrachten Paten-Geschenke übergeben wir anschließend in den Hütten.
Lesson learned! Es ist viel besser, wenn jedes Kind eine Kleinigkeit erhält und die Übergabe der Patengeschenke in der Hütte erfolgt. So kommt kein Neid auf.
Die Kinder werden von ihren Großmüttern versorgt, da die Eltern an Aids gestorben sind. Die kleinen Familien ernähren sich hauptsächlich von der Cassava-Knolle. Die kartoffelähnliche Pflanze wird hier angebaut, geerntet, gesäubert, zerteilt und getrocknet. Anschließend werden die trockenen Stücke zu feinem Mehl verrieben und mit Wasser vermischt als Brei gegessen.
Die Großmütter bedanken sich überschwänglich für die Geschenke und vor allem für die Hoffnung, dass wir auch weiterhin das Schulgeld für die Waisenkinder bezahlen. Wir nehmen die herzlichen Grüße für die Pateneltern mit nach Deutschland.
Nach dem erfolgreichen, emotionalen und anstrengenden Tag fahren wir zurück zur Lodge. Wir trinken ein Mosi-Bier oder Savanna und können noch lange nicht einschlafen – zu viel haben wir heute zu verarbeiten. Unter den Moskitonetzen liegend träumen wir von einer besseren und gerechteren Welt. Einen winzigen Beitrag konnten wir heute dazu leisten.
27. August 2013: Ibenga – Luanshya – Kitwe – Solwezi – St. Kalemba
Nach dem üblichen Wake-Up-Kikeriki und einem ausgiebigen Frühstück verlassen wir die Lodge erneut Richtung Luanshya. Dort treffen wir Charles, den Patensohn der Familie Bartsch. Er ist inzwischen 28 Jahre alt und studiert sambisches Recht auf dem College in Kitwe. Charles wohnt mit seinem jüngeren Bruder bei seiner alleinstehenden Tante und deren Kindern. Seine Mutter lebt in einem kleinen Dorf im Norden von Sambia. Der Vater ist seit vielen Jahren tot. Da es im Dorf keine Chance auf eine Ausbildung gibt, hat sie ihre beiden Söhne zur Schwester nach Luanshya geschickt. Die Familie sieht sich nur sehr selten und Charles hat mit den Tränen zu kämpfen, als er von seiner Mutte berichtet. Trotzdem ist er überglücklich, dass er uns bei der Reise durch Sambia begleiten kann.
Wir verlassen Luanshya in Richtung Kitwe um dort bei der Hausbank unseres Freundes Elias das Vereinsgeld in Sambische Kwacha (ZMW) zu wechseln. Eine solch hohe Summe darf nicht in einer Wechselstube getauscht werden, sondern nur über das Konto eines Sambiers mit entsprechenden Referenzen. Trotz Anmeldung warten wir in der Bank über zwei Stunden auf unser gewechseltes Geld. Denn jeder einzelne Euro-Schein wird auf Echtheit überprüft.
Im Anschluss besuchen wir unsere Patenkinder in Kitwe (Annet, Rhodes und Silvia), übergeben Geschenke und veranlassen, dass die Kinder Schuhe und Kleidung erhalten. Auch in Kitwe bedarf es einer dringenden Unterstützung.
Wir verlassen Kitwe und passieren die Städte und Mienen des Copperbelts in Richtung Solwezi. In den Mienen werden Kupfer, Gold und Uran gefördert. Die Chinesen sind hier dick im Geschäft: neue Straßen, Business-Center und Firmengebäude stehen entlang der Straße. Sogar die Tankzapfsäulen sind zusätzlich mit chinesischen Schriftzeichen versehen.
Nach Chingola, der letzten Stadt der Copperbelts in Richtung Angola, verlassen wir die Hauptstraße und fahren noch ca. 175 km in Richtung der „City of Dust“ (Solwezi). Die Farbe der Erde wird immer mehr dunkelorange, bedingt durch den hohen Kupferanteil. Schnell ist alles mit einer feinen kupferfarbenen Schicht überzogen: Auto, Haut, Gepäck – alles!
Auf der langen Fahrt ernähren wir uns von Cola, Wasser, Chips, Kräckern und Äpfeln. Die Landschaft verändert sich langsam und wird hügeliger. Wir fahren viele Stunden vorbei an kleinen Verkaufsständen mit Honig, Tomaten, Kürbissen, Cassava und vor allem Jakos.
Die Jakos dienen als Holzkohle für den „Freiluft-Herd“. Für die Herstellung wird ein bestimmter Teil des Bodens in Brand gesetzt. Wenn das Buschfeuer wieder erloschen ist, sammeln die Männer die verkohlten Holzreste und befüllen damit eine Art Holzgerüst, das in einem leeren Reissack befestigt ist. Oben im Jako liegt etwas trockenes Gras. Auf unserer Reise durch das Niemandsland sind die Jakos allgegenwärtig.
Langsam geht die Sonne unter und wir erreichen gegen 21:00 Uhr Solwezi. Hier möchten wir in einem Gästehaus übernachten und uns ausruhen, aber es kommt anders:
Schwester Annie aus St. Kalemba – dem Ziel unserer Reise – hat es sich nicht nehmen lassen, uns in Solwezi abzuholen um uns persönlich nach St. Kalemba zu begleiten. Die Begrüßung ist so herzlich, wie es eben ist, wenn sich gute Freunde nach langer Zeit wieder in die Arme schließen können.
Wir teilen uns auf die beiden Fahrzeuge auf, damit wir bequemer sitzen können. Jetzt haben wir noch mindestens fünf Stunden Fahrt durch die stockdunkle Nacht vor uns und sind ununterbrochen seit dem Morgen unterwegs. Ich sitze jetzt im „the sister‘s car“ auf der Rückbank zwischen Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Tomaten und anderen Lebensmittel. Brother John fährt wie der Teufel durch die Nacht. Na ja, er hat Gottes Segen auf seiner Seite. Gegen 2:30 Uhr am Morgen erreichen wir schließlich St. Kalemba.
28. August 2013: St. Kalemba
Wir kommen völlig erschöpft im Kloster an. Die Jungs schlafen bei den Mönchen und die Mädels bei den Nonnen im Kloster. War klar! In meinem Zimmer hängt ein Poster mit einem übergroßen blauäugigen Jesus, der mich liebevoll anschaut. So gut beschützt falle ich in einen wunderbaren tiefen Schlaf und habe das erste Mal das Gefühl, angekommen zu sein. Ein tiefer Friede macht sich in meinem Herzen breit. Dieses Gefühl sollten alle Menschen erleben dürfen – es ist wunderbar.
Am Morgen stehen wir gut erholt auf und genießen ein köstliches Frühstück. Zwischen 9:00 Uhr und 12:00 Uhr gibt es Strom aus einem Generator im Kloster, damit die Schwestern ihr Tagesgeschäft erledigen können. Jetzt können wir endlich unsere leeren Batterien und Handys aufladen. In der restlichen Zeit versorgt der Generator das zum Kloster gehörende kleine Krankenhaus.
Schwester Annie führt uns nach dem Frühstück über das Klostergelände. Zum Kloster der Franziskanerinnen gehören das eigentliche Klostergebäude mit Wirtschaftsräumen, ein großer Garten mit einem Meetingpoint, ein Krankenhaus, ein Gebäude für Vorträge zur AIDS-Aufklärung, ein Kindergartengebäude, ein Dining-Haus und ein Rundhaus, in welchem das Essen für die Kinder zubereitet wird. Zwischen dem Klostergebäude und dem Krankenhaus steht eine wunderbare kleine Kirche. Das Areal mit dem Pfarrhaus, in dem zwei Franziskaner-Mönche leben, beginnt am nahen Kabompo, einem Nebenfluss des Sambesi.
Am Meetingpoint weine ich vor Ergriffenheit: Hier ist tatsächlich die kleine Nähschule untergebracht, die wir bei meinem Besuch vor zwei Jahren organisiert hatten. Eine Näherin näht Kinderkleidung und ringsum hängen ungefähr etliche Kleidchen aus drei unterschiedlichen Stoffmustern sowie Hosen für die Jungs. Sogar ein Preisschild ist angebracht: Ein Kinderkleid kostet 25 Kwacha – das sind etwa 1,75 €. Vom Erlös wird direkt neuer Stoff gekauft. Wunderbar, dass die kleine Nähschule mit den alten Singer-Nähmaschinen tatsächlich funktioniert. Die jungen Frauen werden unterrichtet und können diesen Beruf später ausüben, um nicht vom Ehemann völlig abhängig zu sein. Bisher wurden drei Näherinnen ausgebildet. Bald sollen es deutlich mehr werden.
Hier treffen wir auf die AIDS-Waisenkinder Sarah, Jean, Mutango und Joel. Wir übergeben die mitgebrachten Geschenke: Schulhefte, Bleistifte, Luftballons und Kekse. Jedes Mädchen bekommt ein Kleid und jeder Junge eine neue Hose. Die Kleidung, die die Kinder aktuell tragen, ist aus der Familie geliehen – eigene Kleidung besitzen sie nicht. Das Schulgeld dieser Waisenkinder wurde bisher von einer Organisation in Italien gesponsert, die nun leider über keine eigenen Mittel mehr verfügt. Wir übernehmen die Patenschaften, so dass das Schulgeld für das nächste Schuljahr weiter bezahlt wird.
Weitere fünf AIDS-Waisenkinder warten zudem auf die Übernahme einer Patenschaft.
Im Anschluss besichtigen wir den Rohbau der Primary School auf dem Klostergelände. Das Geld kam bisher von einem Verein aus Italien. Die Italiener haben aber derzeit keine Möglichkeit weiter Geld zu spenden. Somit müsste der Bau eingestellt werden, wenn nicht andere Sponsoren gefunden werden. Glücklicherweise haben wir von Freunden und Gönnern unseres Vereins einige Geldmittel erhalten, die wir hier für den Weiterbau der Grundschule verwenden können. Denn: Im Umfeld von St. Kalemba wohnen viele Menschen – verstreut in kleinen Villages und sind alle bitter arm. Hierher kommt keine Hilfe mehr an. Die einzige Unterstützung erhalten die Menschen von den Nonnen. Jeden Morgen und jeden Mittag wird für ca. 100 hungrige Kinder Porridge und Mittagessen gekocht, das an die Kinder im Dinning-Room verteilt wird. Auch die Mütter, die alleinerziehend sind, können hier mitessen. Ohne diese Hilfe gäbe es viele tote Kinder in St. Kalemba.
Die Vision von Schwester Annie ist es, den Kindern das Frühstück zu geben, danach gehen die größeren Kinder in die Grundschule und die kleinen in den betreuten Kindergarten. Im Anschluss gibt es ein Mittagessen für alle, dann werden die Hausaufgaben gemacht und danach können die Kinder wieder nach Hause gehen. Somit sind nicht nur der Magen, sondern auch der Geist „satt“ und die Welt ist zumindest für diese Kinder ein Stückchen besser.
Diese Grundschule ist das einzige Objekt, welches in St. Kalemba noch fehlt, denn die nächste Primary School ist viele Kilometer entfernt und die Kinder müssen bisher jeden Tag nach dem Frühstück im Kloster den weiten Weg zu Fuß zur Schule und zurück laufen. Daher ist neben der Übernahme für die Ausbildung der Waisenkinder auch der Aufbau dieser Schule ein unbedingtes Muss.
Umgehend machen wir uns an die Arbeit und erstellen die Kalkulation für die weiteren Baukosten, recherchieren die Angebote im Internet und veranlassen, dass noch vor der Regenzeit das Dach fertig installiert wird. Das Geld zum Kauf der Materialien übergebe ich gegen Quittung an St. Annie. Sie hat Tränen in den Augen, denn sie hat schon nicht mehr daran geglaubt, dass ein solches Wunder geschieht und der Schulbau doch noch beendet wird.
Um 17:00 Uhr an diesem ereignisreichen Tag findet der Gottesdienst in der kleinen Kirche statt. Den ganzen Tag war das Singen und Üben von vielen tollen Stimmen zu hören. Und nun durften wir wieder an einem Gottesdienst der ganz besonderen Art teilnehmen: fröhlich singend, tanzend und klatschend wird Gott gedankt für alle guten Gaben. Zum Ende werde ich nach vorne gebeten, um eine Rede zu halten. Ich informiere die Menschen, wer ich bin und was ich hier alles machen möchte: Die Ausbildung für die Waisenkinder bezahlen, die Nähschule weiter ausbauen und beim Aufbau der Primary School mithelfen, damit die Kinder in dieser armen Region eine Chance auf eine bessere Zukunft haben. Viele kennen mich noch von meinem letzten Besuch und klatschen und haben Tränen in den Augen. Und ich verspreche, wieder zu kommen, um zu helfen. Es ist so ein gutes Gefühl, dieses nicht nur zu sagen, sondern auch zu tun. Wir schenken den Menschen wieder Hoffnung und es ist mir persönlich ein großes Anliegen, an diesem ausgebeuteten und teilweise verachteten Volk einen kleinen Teil wieder gut zu machen, was weiße Menschen auch heute noch tun. Ein kleines Stück Gerechtigkeit – das ist es, was ich bringen will. Dafür nehme ich die lange Reise und alle Beschwerlichkeiten auf mich. Aus diesem Grund haben Freunde Geld gespendet und aus diesem Grund haben mich mein Neffe und seine Frau begleitet. Wir sind tief bewegt über die Reaktion der Menschen um uns herum.
Nach dem Gottesdienst essen wir zu Abend, besprechen die weitere Vorgehensweise für den Ausbau der Schule und fallen alle todmüde in unsere Betten – Jesus und Maria bewachen einmal mehr unseren Schlaf und alles ist gut.
29. August 2013: St. Kalemba
Um 6:30 Uhr ist Frühmesse in der Kapelle des Klosters. Hier nehmen die Schwestern, die beiden Brüder und alle Gäste des Hauses teil. Mir wird die Ehre zuteil, die Lesung vorzutragen. Danach gibt es wieder ein tolles Frühstück und – what a surprise – es wartet ein ganz besonderer Gast auf uns: Der Headman aus dem Dorf stattet seinen Besuch ab. Er wird in das Empfangszimmer des Klosters gebeten und ein Dolmetscher übersetzt in die Landessprache. Der Headman hat von unserem Besuch erfahren und er erkundigt sich über unsere Pläne beim Aufbau der Schule. Er ist very amused und will nun ebenfalls seinen Anteil zum Erfolg beitragen und die jungen Männer im Dorf herschicken, damit diese beim Aufbau mithelfen.
Außerdem besprechen wir den Bau eines Brunnens im Dorf. Da der Boden hier sehr sandig ist und das Grundwasser wegen der Nähe zum Kabompo-River nicht allzu tief steht, kostet der Bau eines Brunnens mit Solarbetrieb nicht allzu viel. Wir vereinbaren mit dem Headman, dass wir erst die Schule bauen und dann den Brunnen im Dorf graben. Er ist damit einverstanden und lädt uns im Gegenzug in sein Dorf ein. Wir besichtigen eine Schnapsbrennerei im Busch – die allgegenwärtigen Kasawa-Knollen sind die Basis für den Brand. Keiner von uns würde überleben, wenn wir diesen hochprozentigen Schnaps trinken müssten. Weiterhin zeigt er uns, wie Strohmatten geflochten werden und wie der Feuerplatz zum Kochen vorbereitet werden muss. Wir beraten, an welcher Stelle der Brunnen am sinnvollsten ist und verabschieden uns herzlich von Headman und seiner Frau. Ach ja: ich habe sie gefragt, ob sie einen kleinen Wunsch hat, den ich ihr gerne erfüllen würde und sie bittet mich um „some salt for coocking“. Das lasse ich ihr umgehend aus dem Kloster bringen. Ich habe eine neue Freundin fürs Leben gefunden: Die Headfrau aus Kalemba.
Um 13:00 Uhr sind wir zum offiziellen Mittagessen der Kinder ins Kloster eingeladen. Doch zunächst tragen die Kinder und die Mütter einige wunderbare Lieder vor. Singen und Klatschen von ungefähr 100 Kinderstimmen erfüllten die Luft. Die Freude und der Stolz über die gelungenen Vorträge ist allen im Gesicht abzulesen. Als letztes wird die Nationalhymne gesungen und wiederum soll ich eine Rede halten. Nachdem ich mich herzlich bei allen Sängerinnen und Sängern bedankt habe, geht es zur Essensausgabe in den Dinning-Room. Die Kinder stehen in Zweierreihen am Aufgang zum Gebäude und waschen zu allererst die Hände, dann gehen sie sehr diszipliniert in den Raum. Dort haben die Frauen bereits die großen Töpfe mit Maisbrei und Fleisch mit Soße herein getragen. Zunächst sprechen wir das Tischgebet – diesmal in deutscher Sprache – und anschließend erhält jedes Kind einen Teller voll mit Essen. Das alles wird von einer einzigen Klosterschwester koordiniert – einige Frauen aus dem Dorf helfen jeden Tag, dass die Kinder essen können. Es tut so gut, das alles zu sehen und zu erleben, dass die Hilfe tatsächlich ankommt.
Am Abend werden wir zu einem Tanzfest eingeladen. Außerdem hat Father Richard, der Priester, Geburtstag und so gibt es eine große Party. Die Teenies haben fleißig geübt und singen und tanzen die traditionellen Tänze. Auch Charles singt und tanzt mit. Er macht das richtig gut. Alle Gäste erhalten etwas zu essen und so geht auch dieser ereignisreiche Tag seinem Ende entgegen und wir haben unsere letzte Übernachtung in St. Kalemba unter dem direkten Schutz von Jesus und Maria.
30. August 2013: St. Kalemba – Solwezi
31. August 2013: Solwezi – Mufulira – Kitwe – Ibenga
Wir starten am frühen Morgen und sagen Goodbye Solwezi! Die Reise führt uns wieder über die holprige, schlaglochübersäte Straße vorbei an Verkaufsständen mit Obst und Gemüse Richtung Chingola und Kitwe, unserem nächsten Reiseziel.
Doch zunächst machen wir einen kleinen Umweg nach Mufulira, denn hier leben auch drei unserer Patenkinder. Wir besuchen die Familie. Die Großmutter teilt uns mit, dass der jüngste Sohn endlich eine Arbeit gefunden hat und die Familie daher nicht mehr in direkter Armut leben muss. Die Familie wohnt inzwischen in einem Steinhaus mit Möbeln und wir erhalten some Coke als Erfrischungsgetränk serviert. Ich übergebe die Briefe der Pateneltern und nehme auch gleich wieder Briefe der Patenkinder mit nach Deutschland. Für diese drei Kinder (Gloria, Vivien und Justina) ist nun gesorgt – keiner muss mehr hungern und für das Schulgeld kann die Familie selbst aufkommen. Ein gutes Beispiel für unsere Aktivitäten: sobald das Einkommen vor Ort gesichert ist, kann die Unterstützung aus Deutschland wegfallen. Nach diesem Prinzip können andere Kinder unterstützt werden, die es am nötigsten haben. Als Dank gibt uns die Großmutter ein Geschenk mit: einen traditionellen Rock der Afrikanerin in wunderschönen Farben. Ich werde ihn der Patenmutter übergeben.
Zurück in Kitwe besuchen wir drei weitere Patenkinder (Faithful, Sarah und Annett) und bringen die Geschenke der Pateneltern vorbei. Wir sind ja nun gut ausgestattet, sodass jedes Kind ein kleines Geschenk für die Schule erhält und auch Kekse zum Gleich-Naschen. Unsere Luftballons sind auch hier der Knaller und alles ist gut. Das Schulgeld für den Start im Januar wird übergeben und mit diesem Geld können die Schuluniformen und weitere Schulutensilien gekauft werden. Hier ist das Geld wieder notwendig, da die Armut zum Greifen ist.
Wir fahren in der Dämmerung Richtung Ibenga, um wieder in der Lodge zu übernachten. Während der ganzen Reise haben wir immer wieder abwechselnd dieselben Lieder gehört: Gospels und Lionel Richie… auch das wird uns, wenn wir an diese Reise denken, immer im Gedächtnis bleiben: der Gospelsong: Jelele (verzeih mir) Jelele na na, jelele, Jelele na na, jelele! Wir kommen sehr spät und hungrig in der Lodge an und bestellen noch gegrillten Fisch mit Kartoffelstückchen – dazu das übliche: Mosi und Savanna. Totmüde fallen wir ins Bett unter dem – diesmal blauen – Moskitonetz.
01. September 2013: Ibenga
Gleich am Morgen kaufen wir alles ein, was für die Kinder im BlindCenter und in Kaoma Village benötigt wird und verteilen alle Einkäufe so, dass es für jedes Kind eine separate Tasche gibt, die mit ähnlichem Inhalt gefüllt ist – dem Lebensnotwendigsten: Essen, Kleidung, Schulsachen und Kekse.
Wir fahren zunächst zu den Kindern im Blind Center und übergeben unsere Einkäufe. Man kann sich nicht vorstellen, welches Gefühl es in einem hervorruft, wenn sich eine blinde alte Frau vor Dankbarkeit auf die Knie wirft und weint. Das sind Emotionen, die man sein Leben lang nicht mehr vergessen wird. Es kommen mir immer noch die Tränen, wenn ich daran denke. Tränen des Schams und auch der Dankbarkeit, dass wir hier tatsächlich ein klein wenig helfen konnten. Wir überreichen die Decken, die Kleidung, die Schulsachen, das Geschirr, den Reis und die vielen anderen Kleinigkeiten, die wir eingekauft haben und verlassen sichtlich ergriffen das Blind Center, um die anderen Patenkinder auf der Kaoma-Farm zu besuchen und dort die Einkäufe abzuliefern.
Hier treffen wir auch das Waisenkind Evaristo wieder. Er bekommt einen Fußball und strahlt um die Wette.
Auch hier das gleiche Bild: Die Großmütter sind es, die überlebt haben und sich um die Enkel kümmern. Die Großmütter sind es auch, die Hoffnung in den Augen haben und sich dafür bedanken. AIDS ist eine Seuche, die sich erst in den 50er/60er Jahren über den Kontinent verbreitet hat. Die Ursachen sind nachzulesen und die Schuldigen haben hoffentlich für ihr Seelenheil gebetet. Die Großmütter sind derzeit der Halt in der Familienstruktur – die Großmütter und deren Söhne – wenn sie überlebt haben.
Wir haben viel zu besprechen an diesem Abend in der Lodge in Ibenga: Zu viele Eindrücke, zu viele Schicksale, zu viele Gedanken gehen uns durch den Kopf. Diesmal verläuft unser Abendessen ziemlich schweigsam. Nach dem Essen machen wir uns anschließend bei Mosi und Savanna an die Abrechnung aller bisherigen Käufe und der Restsumme des Schulgeldes, die wir für jedes Kind noch übrig haben. Denn alles muss seine Richtigkeit haben und die Pateneltern in Deutschland haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit dem Geld tatsächlich passiert ist. Das Restgeld wollen wir am Folgetag in Ndola auf der Bank auf ein eigenes Konto einbezahlen. Diesmal schlafe ich unter einem blauen Moskitonetz und muss das letzte Mal auf das viele Geld aufpassen, welches ich während der ganzen Reise mitgeschleppt hatte.
02. September 2013: Ndola – Lusaka
Wir bringend das Geld zur Bank in Ndola und reisen direkt weiter zu unserem letzten Etappen-Ziel: zurück nach Lusaka. Gegen Abend kommen wir wieder bei Gossner-Mission an. Es war eine lange und erfolgreiche Reise – wir haben 2.500 Kilometer zurückgelegt, viel erlebt, viel gesungen und viel gelacht, viel geweint und viel getröstet. Und was gibt es heute als Belohnung zum Essen: Elias hat doch tatsächlich eine Pizzeria in Lusaka entdeckt und wir holen vier Pizzen mit Käse, Salami und Schinken, Mosi und Savanna und feiern unseren letzten gemeinsamen Abend in Sambia.
Mein Neffe und seine Frau reisen am frühen Morgen mit dem Bus weiter nach Livingstone, um sich die Victoriafälle anzusehen und Elias muss dringend zurück zu seiner Familie. Die Nacht ist wärmer als die bisherigen – man ahnt schon den beginnenden Frühling. Lange sitzen wir vor unserem Haus und erzählen, bis uns die Augen zufallen.
03. September 2013: Lusaka – Dubai – Frankfurt
Ich wache früh auf – die Vögel zwitschern und es liegt ein wunderbarer Blütenduft über dem Gelände der Gossner Mission. Ich frühstücke gemütlich die Reste auf, die wir noch hatten.
Gleich kommt Lucky, der Fahrer und bringt mich in die Stadt. Dort wartet Charles mit seinem Bruder – wir wollen Bücher für das Jura-Studium kaufen. Außerdem will ich meine Freundinnen, die Nonnen im Franziskanerinnen-Kloster noch besuchen und mich bei ihnen verabschieden. Dann will ich noch Geschenke für die Freunde zu Hause kaufen und schließlich bringt mit Lucky zum Flughafen. Ich verlasse Sambia um 21:25 Uhr, passiere die einzelnen Stationen der Passkontrollen, laufe über das Flugfeld zum Flugzeug, atme zum letzten Mal den Duft von Afrika ein und komme mir vor wie in einem Film – einen guten Film mit einem dicken Happy End! Jeder kennt das Gefühl, wenn man einen guten Film gesehen oder ein gutes Buch zu Ende gelesen hat – da ist so ein tiefes Nachempfinden. Und es dauert ein paar Tage, bis ich wieder angekommen bin – in unserer Welt mit all ihren guten und weniger guten Seiten. Good Bye Sambia – bis nächstes Jahr. God will bless us!
04. September 2013: Deutschland
Landung in Frankfurt.