Unsere sechste Reise nach Sambia
12. September bis 01. Oktober 2017
Dienstag, 12. September 2017
Nachtflug nach Addis Abeba, Weiterflug über Harare nach Lusaka. In diesem Jahr wurde ich von Annette und Ines begleitet. Ines will das Nähprojekt starten und Annette ihr Patenkind Mary besuchen. Wir teilen auch gleich die Jobs im Team auf: Annette ist zuständig für die Verteilung der Süßigkeiten und Ines ist als „Technischer Support“ und Fotografin tätig.
Mittwoch, 13. September 2017
Ankunft in Lusaka International Airport um 14:30 Uhr Ortszeit. Mit dem Taxi fahren wir mit sieben großen Koffern, viermal großem Handgepäck und drei Personen zur ersten Übernachtungsstation: der Gossner Mission in der Kabulonga Road in Lusaka. Wir kaufen noch etwas zum Abendessen ein – vor allem „Savanna“ (typischer Cidre) und schlafen glücklich und voller Erwartungen unserem ersten Morgen in Sambia entgegen.
Donnerstag, 14. September 2017
Um 6:00 Uhr morgens ist es bereits hell in Sambia und der Tag beginnt. Nach unserem Frühstück fahren wir zur Deutschen Botschaft in Lusaka. Der Botschafter – Herr Burkart – erwartet uns um 10:00 Uhr zu einem Gespräch. Es wird Tee und Kaffee angeboten und wir sprechen über unser Sambia-Projekt. Der Botschafter gibt uns noch wichtige Hinweise und Tipps für unsere Weiterreise und wir verabschieden uns nach zwei Stunden Erfahrungsaustausch (so lange hat er sich tatsächlich für uns Zeit genommen – sogar sein Assistent war überrascht!).
Danach fahren wir zur Orthopädischen Klinik St. John Paul II, hier lebt unser Waisenkind Davy. Er hat die vom Verein bezahlte Operation sehr gut überstanden, geht regelmäßig zur Schule und wünscht sich einen Fußball. Wir zahlen sein Schulgeld und geben das Geld für einen Fußball und weiter geht die Reise.
Freitag, 15. September 2017
Good Morning Sambia! Nach dem Frühstück fahren wir die vierzig Kilometer weiter in die Stadt Luanshya, um dort Geld abzuheben, denn es darf nur in der Landeswährung bezahlt werden. Dort treffen wir auf Charles, unser erstes Patenkind. Er ist nun bereits 32 Jahre alt und verdient sein eigenes Geld als Organisator einer Schule für mittellose Kinder in Luanshya. Wir starten unsere erste Shopping-Tour in einem Supermarkt und kaufen Lebensmittel für die 50 armen Familien im Blind-Center ein. Wir fahren zurück nach Ibenga und besuchen die St. Theresa‘s Primary and Secondary School. Hier gehen ebenfalls einige unserer AIDS-Waisenkinder zur Schule. Wir sprechen mit der Rektorin und verabreden ein Treffen mit den Kindern für den nächsten Tag.
Nun fahren wir weiter zum Areal des Blind-Centers. Jessy, die Köchin, hat uns zum Essen eingeladen. Doch zunächst bekommen alle Kinder einen Lutscher und Süßigkeiten von Annette überreicht. Es gibt wieder typische sambische Gerichte und alles schmeckt total lecker – vor allem der Reis. Danach singt der blinde Joseph wieder einige Gospels und seine samtene Stimme liegt über dem Blind-Center und der inzwischen dunklen Nacht. Es ist immer wieder ein einmaliges Erlebnis ihn singen zu hören.
Samstag, 16. September 2017
Wir fahren zunächst zur Soja-Öl-Raffinerie und bestellen fünfzig 2-Liter-Flaschen Cooking-Oil für die armen Familien.
Dann geht es wieder zum Blind-Center und wir verteilen unsere Einkäufe an die armen Familien. Ich bekomme unerwartete Hilfe von unseren AIDS-Waisenkindern Trusty, Faithful und Benson, denn sie helfen beim Befüllen der gesponserten Tragetaschen. Wir verteilen anhand einer Namensliste die Lebensmittel-Taschen an die Blinden. Ines macht noch einige Fotos unserer Patenkinder und dann fahren wir mit all unseren Kindern zum „Shoppen“ nach Luanshya.
Annette geht mit den Girls zur Klamotten-Abteilung, Ines und ich gehen mit den Jungs zum Einkaufen von Schulheften, Schulutensilien, Rücksäcken und natürlich Naschereien und Deo. Alle hatten so richtig Spaß!
Anschließend habe ich (vor dem üblichen „Savanna“) noch die Patenliste von Father Andreas Edele abzugleichen. Einige unserer älteren Patenkinder beenden Ende des Jahres ihre Ausbildung: drei davon sind nun Lehrer und ein Mädchen ist eine ausgebildete Krankenschwester. Sie können nun ihren eigenen Weg gehen – dank unserer Unterstützung. Und wieder endet ein ereignisreicher Tag in Sambia mit einem guten Gefühl im Herzen!
Sonntag, 17. September 2017
Heute machen wir uns auf den Weg nach Kitwe – der zweitgrößten Stadt in Sambia – ca. 70 Kilometer entfernt von Ibenga. Dort leben weitere vier unserer Waisenkinder in einem Mutter-Kind-Haus. Das Haus wird von der Regierung bezahlt und wir finanzieren das Schulgeld für Annett, Bwalyah, Silvia und Rhodes. So sind auch diese Waisenkinder versorgt und erhalten eine Schulausbildung. Wir übergeben die Patengeschenke, machen Fotos und die Kinder schreiben Dankesbriefe an die Paten.
Anschließend fahren wir zum Kitwe-Market – ein einheimischer Markt mit allen Düften und Gerüchen, mit Gewusel und Stimmengewirr. Hier kaufen wir die ersten Handarbeiten, die wir bei unserer Weihnachtstombola als Gewinn verwenden wollen.
Nach dem Abendessen und dem nun Kult gewordenen „Savanna“ träumen wir einem neuen Tag in Sambia entgegen.
Montag, 18. September 2017
Wir fahren zunächst zur „Book World“ um Patengeschenke und Schulbücher für unsere nächste Station – St. Kalemba – zu kaufen. Hier im „Großhandel“ ist alles günstiger als in den Supermärkten. Wir sitzen abfahrtbereit mit unserem ganzen Gepäck im Innenhof unseres Hotels und warten, dass uns unser Fahrer abholt.
Nun müssen wir den gefährlichsten und unbequemsten Teil unserer Reiseroute hinter uns bringen: die Solwezi-Road. 175 Kilometer von Schwerlastwagen (Monster-Trucks) in der Regenzeit ausgefurchte Spurrillen und dazwischen Schotterpiste. Man fährt teilweise nur durch Staubwolken und kann die Straße nur noch erahnen. Ähnlich wie bei uns eine Nachtfahrt durch dichtesten Nebel – nur eben in orange. Offensichtlich haben es unsere Schutzengel gut mit uns gemeint und wir kommen gegen 20:00 Uhr in völliger Dunkelheit aber durchgeschüttelt, heil und dankbar in unserer Lodge in Solwezi an.
Dienstag, 19. September 2017
Gestärkt und guter Dinge wachen wir auf und nehmen unser spärliches Frühstück ein: ungetoastetes Toastbrot, Orangenmarmelade und heißes Wasser mit Teebeutel. Hier treffen wir nun auf Schwester Beatrice, die Priorin der Missionsstation St. Kalemba.
Danach fahren wir zum Bischofs-Gelände. Hier haben wir einen offiziellen Termin beim Vikar des Bischofs Kasonde – Neal Mulyata (der Bischof ist zurzeit auf Besuch in seiner Patendiözese in Limburg). Der Vikar heißt uns herzlich willkommen und bietet uns wegen unserer Probleme mit dem Fahrzeug zur Weiterfahrt ein Fahrzeug und einen Fahrer des Bischofs an, damit wir Geld sparen können. Das ist doch was! Wir verabreden ein gemeinsames Frühstück für den nächsten Tag, denn abends sind wir bei Brenda – einer guten Freundin – zum Abendessen eingeladen.
Wir kaufen Amarula-Likör als Gastgeschenk und verbringen einen vergnüglichen Frauenabend bei Brenda, werden mit sambischen Leckereien verwöhnt und schlafen mal wieder glücklich und erschöpft einem neuen Tag entgegen.
Mittwoch, 20. September 2017
Zum Frühstück erscheint der Vikar Neal und wir sprechen über ein künftiges Solarlampen-Projekt von Village-Boom sowie über die Möglichkeit, ein Oxfarm-Projekt in St. Kalemba zu starten. Außerdem besprechen wir, wie wir das Nähprojekt in St. Kalemba in einem Gebäude des Bischofs beginnen können. Das Gebäude dort dürfen wir kostenfrei nutzen. Dieser Vikar ist ein wahrer Segen für unseren Verein. Nach einer herzlichen Verabschiedung starten wir nun wohlbehütet und gesegnet in Richtung St. Kalemba (460 Kilometer).
Der Botschafter hatte uns empfohlen, unbedingt den regionalen Chief zu besuchen und ein Gastgeschenk als Zeichen der Wertschätzung zu überreichen. Und so besuchen wir nun „His Royal Highness“. Ein Soldat empfängt uns vor dem Tor des Palastes (ein Steinhaus mit einem großen Innenhof und einem Bretterzaum drum rum). Der Chief lässt ausrichten, dass er Zeit für uns hätte und so dürfen wir Frauen durch das Frauentor in den Innenhof gehen – die Männer gehen durch das „normale“ Eingangstor. Die Zeremonie beginnt: Es werden Holz-Hocker in zwei Reihen gegenüber aufgestellt und wir dürfen uns setzen. Der Botschafter hatte uns erklärt, dass man einem Chief nur in gebückter Haltung entgegentreten und ihm auf keinem Fall in die Augen sehen darf: das wird was werden. Wir sind total aufgeregt. Endlich erscheint der Chief mit all seinen Status-Insignien: dem Leopardenmantel, dem königlichen Stab und einer Art „Haar-Wedel“. Wir stehen auf und bekunden in gebückter Haltung unsere Hochachtung. Aber das mit dem „Ohne Blickkontakt“ klappt nicht – selbstverständlich muss ich ihm in die Augen sehen. Er hat nichts dagegen – und so beginnen die Verhandlungen. Wir überreichen unser Gastgeschenk und dürfen sogar ein Bild mit ihm machen. Er lädt uns für einen Besuch im nächsten Jahr ein und wir verabschieden uns in Freundschaft. Wow – was man so alles erlebt in Sambia!
Nun geht die Fahrt weiter zu „unserem“ Headmen. Er wohnt gleich in der Nähe und wir sehen schon von weitem wie „unser“ Brunnen von vielen Frauen und Kindern rege genutzt wird. Sie winken uns zu und bedanken sich für das Geschenk dieses Brunnens so nahe am Dorf. Mit dem Headmen verabreden wir einen baldigen offiziellen Besuch in den kommenden Tagen.
Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir unser Ziel: die Missionsstation St. Kalemba im nordwestlichen Buschland von Sambia. Ich bin so unendlich glücklich wieder heil hier angekommen zu sein – like feeling home again!
Donnerstag, 21. September 2017
Good Morning, St. Kalemba. Um 7:30 Uhr ist Morning Prayer im kleinen Kapellenraum im Kloster. Eine gute und meditative Art in den Tag zu starten. Nach dem Frühstück besprechen wir mit Schwester Beatrice die Reihenfolge unserer Aktivitäten: die Patenkinder in den Schulen besuchen, neue Patenkinder sehen, neues Projekt mit den AIDS-Kindern starten, Nähprojekt abschließend organisieren, die Lebensmittel an die Alten verteilen, Thanksgiving-Party für alle unsere Kinder und die Alten veranstalten, Schulreport von den Kindern einholen, Schulgelder bezahlen, Briefe an die Pateneltern schreiben lassen und was sonst noch alles auf uns wartet.
Doch zunächst besuchen wir Mary, das Patenkind von Annette (denn schließlich ist sie wegen Mary nach Sambia gekommen). Mary lebt mit der alten Großmutter in einer Ein-Raum-Hütte ohne Möbel und nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Annette ist total glücklich, dass sie so ein liebenswürdiges und gescheites Patenkind hat und das Mutterglück lacht ihr aus den Augen.
Dann ist der offizielle Termin beim Headmen. Er hat seine alte Hütte abgerissen und lebt nun mit seiner Frau und seinen Enkeln (auch AIDS-Waisen) in einem einfachen Bau – aufgebaut mit den noch brauchbaren Steinen der alten Hütte. Es fehlen noch einige Steinreihen und es gibt noch kein Dach – aber in einem Monat startet die Regenzeit. Da müssen wir ganz einfach helfen, denn der Headmen ist genauso arm wie alle in dieser Gegend. Wir versprechen ihm, dass wir die Steine und das Dach für ihn finanzieren. Der alte Mann fällt mir voller Dank um den Hals – ganz unüblich für einen Headmen!
Zurückgekehrt ins Kloster besichtigen wir nun „unsere“ Schule. Sie ist wunderschön, hell und freundlich und wir sind total stolz, eine solche Schule finanziert zu haben. Ein Schulgebäude mit zwei großen Klassenräumen und einem Lehrerzimmer, ein Nutrition-Gebäude, richtige Toiletten für Mädchen und Jungs, ein Spielplatz mit Schaukeln und sonstigem Turngeräten und ein Brunnen mit frischem sauberem Wasser! So sollte es eigentlich immer sein.
Inzwischen ist es drückend heiß – zwischen 11:00 Uhr und 15:00 Uhr kann man sich kaum draußen aufhalten. Da sitzen sogar die Afrikaner in ihren Hütten oder schattigen Plätzen. Wir fahren also zurück ins Kloster „having lunch and rest a bit“.
Danach starten wir zur New Loloma School und besuchen Given, Queen und Cosmas. Der Schulleiter kennt mich noch vom letzten Jahr und hat schon alles für den Besuch vorbereitet. Unsere drei sind ordentlich gekleidet und sehen in ihren Schuluniformen so richtig gut und wohlernährt aus – das ist alles den Pateneltern zu verdanken.
Danach fahren wir weiter und machen noch einen Zwischenstopp in unserer Kaula Primary School um mit dem Schulleiter David Kazendze die Schulpartnerschaft mit der Verbandsschule Faulbach zu begründen (er ist very much amused about this!). Zudem vereinbaren wir das Treffen mit unseren Kindern.
Freitag, 22. September 2017
Nach dem Frühstück packen wir Unmengen von Lutschern ein, denn nun besuchen wir die Kinder in den Schulen. Zunächst fahren wir in die Milemba Primary School, in welcher auch einige unserer Patenkinder sind und besprechen das Programm mit dem dortigen Schuldirektor. Alle Klassen haben ein Willkommenslied für uns einstudiert und singen lauthals und voller Begeisterung – dafür bekommen sie natürlich gleich im Anschluss Süßigkeiten. In diese Schule gehen so viele Kinder, dass sie außerhalb noch eine notdürftige Outdoor-Schule für die 1. und 2. Klasse errichtet haben. Das ist in der trockenen Jahreszeit soweit okay, aber in der Regenzeit eine Katastrophe!
Unsere Schulbesichtigungstour führt uns nun zur Kaula-Schule. Hier sind die meisten unserer Patenkinder anzutreffen. Bis auf zwei sind alle unsere Kinder in der Schule, haben gute Uniformen und Schuhe an und sehen ansonsten auch richtig gesund aus. Ines macht die obligatorischen Fotos und schon ist es wieder brutal heiß geworden.
Nach einer kleinen Mittagspause und einer kalten Dusche sind wir wieder gestärkt, um nach Malynga zu fahren – einem nächstgelegen kleinen Ort mit einem großen Krankenhaus und einigen „General Dealer Shops“. Hier bekommt man so ziemlich alles: Lebensmittel, frisches Obst und Gemüse aus der Region sowie Wellblech, Holz und Nägel für das neue Dach des Headmen. Wir befestigen alles auf dem Dach unseres Wagens und bringen es zur Baustelle – der alte Mann kann sich vor Freude gar nicht genug bedanken. Es braucht so wenig um einen Menschen glücklich zu machen!
Kaum wieder im Kloster angekommen wartet schon die nächste Gruppe auf uns: Es sind ca. 30 aidsinfizierte Jungen und Mädchen mit ihren Müttern. Die Medikamente zur Bekämpfung der Krankheit erhalten sie kostenlos im Krankenhaus. Allerdings fehlt es an guter und ausgewogener Ernährung um die Krankheit zu stoppen. Annette entschließt sich spontan dieses neue Projekt zu finanzieren: Sie wird in ihrer Praxis und bei anderen um Unterstützung bitten. Dieses Geld wird dann zweckgebunden nach St. Kalemba überwiesen. Doch als erstes kaufen wir 30 Wolldecken für die Kinder, damit sie in der Kälte der Nacht nun warm zugedeckt sind.
Unser nächster Programmpunkt ist die Besprechung für unsere Nähschule. Hier wird uns der örtliche Pfarrer, Father Richard, behilflich sein. Wir besprechen alles mit ihm und Ines ist total glücklich, dass das Projekt noch in diesem Jahr starten kann. Das Gebäude (mit richtigem Dach, Fenstern und abschließbarer Türe) wird vom Bischof Kasonde auf dem Gelände von St. Kalemba zur Verfügung gestellt. Ebenso organisiert er einen Schneidermeister aus Solwezi, um die Frauen und Männer zu unterrichten. Die Ausbildung wird sechs Monate dauern und wird in zwei Schichten (vormittags und nachmittags) durchgeführt. Nach der Ausbildung erhalten dann alle „Lehrlinge“ ein Zertifikat. Sie können von dem verdienten Geld eine unserer Nähmaschine zum halben Preis abkaufen, um sich dann selbständig zu machen. Unser Sambia-Verein bezahlt die Nähmaschinen (wir starten mit zehn Stück) und das benötigte Material sowie den Stoff. Wir wollen zunächst mit dem Nähen von Schuluniformen starten.
Es ist schon wieder stockdunkel geworden – wie immer gegen 18:00 Uhr. Nach dem Abendessen geht die Arbeit weiter: Die mitgebrachten Kleidungsstücken für die Kinder und Erwachsenen müssen nach Größe und Zweck sortieren werden. Glücklich und zufrieden fallen wir dann in unser Moskitonetz-geschütztes Bett und fallen in einen tiefen Schlaf!
Samstag, 23. September 2017
Heute ist der Tag der Geschenke und der St. Francis Party. Wir sortieren die Lebensmittel-Tüten für die Alten und die Geschenk-Tüten für unsere Kinder. Doch noch während der Vorbereitungen holt mich Schwester Beatrice und meint „the Headmen and his wife have something prepared“. Da stehen die beiden alten Leutchen und bringen uns zwei Hähne und einen kleinen Ziegenbock als Geschenk für den Brunnen und das Dach! Das ist mal wieder so ein Gänsehaut-Moment: selbst bettelarm – und trotzdem geben diese Menschen alles als Dank. Und es ist eine sehr große Ehre – dieses Geschenk des Headmen.
Nun verteilen wir die Lebensmittel an die Alten und versprechen, dass sie jeden Monat eine bestimmte Menge an Maismehl und einen Hahn bei Pfarrer Richard abholen können. Das haben wir im Vorfeld schon besprochen und finanziert. Die Dankbarkeit kennt auch hier keine Grenzen.
Doch was ist da im Klostergarten los: Hunderte von Kindern und Erwachsenen stehen dort erwartungsvoll. Schwester Beatrice sagt, ich soll mich auf einen bereit gestellten Stuhl setzen und alle unsere Patenkinder formieren sich zu einem Tanz. Sie tanzen und singen ein Lied: „We are the children of Anita, we are the ones, we are the ones. This is our grace this is our freedom. This is our chance to start a better life.“ Vor Glück muss ich die Augen schließen. Alle sehen wohlgenährt und gesund aus, haben ordentliche Kleidung an. Ich sitze auf meinem Stuhl und verbrauche meine Tränenflüssigkeit für mindestens drei Wochen!
Nach dieser Zeremonie lade ich alle meine Kinder in den Klosterhof ein, um die Patengeschenk zu übergeben. Es werden Fotos gemacht und die Briefe an die Pateneltern geschrieben.
Und nun wartet die nächste Überraschung auf uns: Im Klostergarten unter dem großen Baum stehen 51 Kinder – alles AIDS-Waisen, die auf eine Patenschaft warten. Ich bin erschlagen – wie soll ich das alles schaffen? Doch ich vertraue auf Gott – es werden sich sicher weitere Paten finden.
Und nun beginnt der Höhepunkt des Tages: die St. Francis-Party für 150 Menschen. Es wurde ein reichhaltiges Mittagessen für die Alten, für die AIDS-Waisenkinder, für die Schüler unserer Pre-School sowie für die Kinder im Nutrition-Center vorbereitet. Die „Party“ findet in einem Schulraum unserer Schule statt. Tische und Bänke wurden hergebracht und alle haben Platz. Nach einer Eröffnungszeremonie (ein Tanz mit einem Messer welches dem Gast übergeben wird, um einen Kuchen so aufzuschneiden, dass jeder anwesende ein Stück davon bekommt) bekommen alle etwas zu essen und zu trinken. Sie singen und tanzen und bedanken sich bei uns für die Wohltat eines Mittagessens. (Man ist so beschämt, wenn man sich die Verhältnisse bei uns vor Augen führt.)
Wie viel passt eigentlich in einen einzigen Tag: unglaublich! Von all den Eindrücken fallen wir mal wieder in unsere Moskitonetz-geschützten Betten und schlafen dem neuen Tag entgegen.
Sonntag, 24. September 2017
Wir besuchen den traditionellen Gottesdienst in der Kirche von St. Kalemba. Die Messe beginnt. Die afrikanischen Lieder, der wunderbare Gesang, die Trommeln, die E-Gitarre, der Tanz – das alles ist faszinierend bekannt und fremd zugleich! Ich kann keine Sekunde ruhig stehen – bin so gefangen in meinem Glück, diesen Menschen ein wenig Freude zu bringen. Nach meiner Ansprache an die Kirchenbesucher bedanken sich alle nochmals persönlich bei uns – alle schütteln uns die Hände und alle bitten um Gottes Segen für uns und für alle, die in Deutschland sind und Geld für sie gespendet haben.
Und schon ist es Zeit, Abschied von St. Kalemba zu nehmen. Diesem Paradies der Hoffnung und der Hoffnungslosigkeit zugleich. Wir packen unsere Koffer mit den von den Frauen im Dorf abgekauften Erdnüssen (25 Kilo). Sie sind die Geschenke für unsere Freunde und Wohltäter in Deutschland.
Gegen 14:00 Uhr treten wir die lange und beschwerliche Reise von St. Kalemba nach Solwezi an. Unterwegs suchen wir noch eines unserer Kinder: Goodson. Sein Vater hat ein Stück Land gekauft und sein Sohn soll ihm nun in der Landwirtschaft helfen, statt zur Schule zu gehen. Wir sprechen mit dem Vater – und mit Goodson. Hoffentlich geht er wieder zur Schule, diese ist nun ca. 20 Kilometer von der Hütte des Vaters entfernt (einfache Entfernung!). Wenn der Vater zustimmt, werden wir ihm ein Fahrrad kaufen – das erledigt dann Schwester Beatrice.
Erschöpft kommen wir am Abend in Solwezi an.
Montag, 25. September 2017
Nach dem Frühstück besuchen wir Vikar Neal. Er zeigt uns das Nähprojekt in Solwezi, nach dessen Vorbild ja auch unsere Nähschule organisiert werden soll. Ines ist total begeistert. Es hört sich alles sehr gut an.
Dienstag, 26. September 2017
Wir besuchen nun unsere AIDS-Waisenkinder in Ibenga, in der St. Theresa‘s Schule. Diese steht unmittelbar neben dem Kloster. Schwester Doreen hat sich bereit erklärt, ab dem nächsten Jahr die Betreuung unserer dortigen Kinder zu übernehmen. Das erleichtert vieles. Alle unsere Kinder sind vor Ort und haben inzwischen auch schon die Briefe an ihre Pateneltern geschrieben. Wir treffen Mwandwe, Precious, Faithful, Benson und die kleine Annita.
Nun fahren wir nach Luanshya, um die Schule von Charles (unser ersten AIDS-Waisenkind) zu besuchen. Er ist inzwischen 32 Jahre alt und managt die Luanshya Township School. Hier erhalten Kinder, deren Eltern zu arm sind um das Schulgeld zu bezahlen, eine inoffizielle Schulausbildung. Charles und die drei Lehrerinnen warten schon auf uns und drinnen im Gebäude sehen uns 125 erwartungsvolle Kinderaugenpaare an. Es ist unglaublich wie auch diese Kinder im Alter zwischen 5 und 11 Jahren trotz der Armut fröhlich singen. Hier gibt es nicht einmal mehr Schuluniformen. Wir sind auf einer weiteren Armuts-Stufe angekommen. Auf dem Land im Busch von St. Kalemba war es schon schlimm, aber diese Kinder hier sind die Vergessenen und Chancenlosen der Townships. Nicht einmal einen Brunnen mit frischem Wasser gibt es. Die Tische und Bänke sind aus rohem Holz zusammengenagelt. Bücher und Hefte gibt es nicht. Aber Charles will Gutes tun (wie wir) und diesen Kindern helfen. Als Obolus bekommt er ein winzig kleines Gehalt von der Stadt – aber er kann sich damit selbst versorgen. Wir verteilen unsere restlichen Lutscher, Buntstifte und die von alten Damen in Deutschland gestrickten Mützen. Wie könnte man diesen Kindern helfen? Am besten mit Büchern, Heften, Stiften und Büchertaschen. Das ist dann schon mal ein Grundstock! Kleidung und Lebensmittel sowie sauberes Wasser der nächste Schritt! Und mit Schuluniformen und Schuhen. Damit sie eine „richtige“ Schule besuchen können, müsste auch noch die Schulgebühr bezahlt werden. Das jedoch bedarf eines Beschlusses in unserer nächsten Mitgliederversammlung.
Nach diesen Eindrücken haben wir keine Zeit zum Nachdenken, denn nun besuchen wir noch Abigal – eines unserer Waisenkinder – in einer Schule für Behinderte. Hier ist eine ganz andere Welt. Die Schule wird von einer Franziskaner-Schwester geleitet und schon ist alles sauber und ordentlich.
Nächster Programmpunkt: Die bestellten 50 Flaschen Cooking-Oil kaufen und im Blind-Center an die Bedürftigen verteilen. Sie sitzen schon lange und warten auf uns.
So langsam bricht schon wieder die Dunkelheit herein – aber wir müssen noch drei weitere Patenkinder besuchen. Sie leben mit Ihrer Großmutter nicht mehr in dieser Gegend und die vier sind einen langen Weg gelaufen, um die Geschenke der Pateneltern abzuholen. Die Großmutter bittet uns darum den drei Mädchen ein Fahrrad zu kaufen, denn der Weg zur neuen Schule ist sehr lange. Das werden wir auf jeden Fall organisieren. Nun habe ich alle Kinder gesehen. Ein sehr gutes Gefühl lässt mich wieder gut schlafen.
Mittwoch, 27. September 2017
Heute treten wir unsere Rückreise nach Lusaka an. Die Straße ist gut und so schaffen wir die ca. 500 Kilometer noch bei Tageslicht. Wir übernachten erstmalig nach den vielen Nächten in den Klöstern in einer Lodge und endlich gibt es auch wieder mal Savanna zu trinken.
Donnerstag, 28. September bis Samstag, 30. September 2017
Nun beginnt der private Teil unserer Reise. Annette fährt nach Livingston und Ines und ich zu einer Lodge im Kafue-Nationalpark.
Viel Zeit um nachzudenken, um Abstand zu den erlebten Achterbahnfahrten der Gefühle zu bekommen, das Reisetagebuch zu schreiben und Pläne für weitere Projekte zu schmieden.
Sonntag, 01. Oktober 2017
Heute ist unser Abreisetag. Wir fahren heute Vormittag noch auf den einheimischen Markt um traditionelle handwerkliche Kunstgegenstände aus Sambia für unsere Tombola und das Schulfest einzukaufen. Wir geben unsere letzten sambischen Kwacha für handgeschnitzte Elefanten und Nashörner, Stifte, Federhalten, Flaschenöffnern, für Stoffe und Trommeln aus.
Schließlich bringt uns unser Fahrer zum Flughafen und wir verlassen wehmütig dieses Land mit diesen wunderbaren freundlichen und gütigen Menschen Richtung Europa.